O Ewigkeit - du Donnerwort

Sigrid, meine Cousine, brachte mich am vergangenen Ewigkeitssonntag auf eine sehr kluge, also höchst weltliche Nutzung von Grabsteinen. Vor Christines und meinem Friedhofsgang zu den Vorfahren, die vor uns in die Ewigkeit vorgefahren waren, berichtete Sigrid von dem letzten Besuch am Grab unserer gemeinsamen Großmutter. Diese war an einem ganz anderen Ort gestorben und begraben. Dort erfuhr Sigrid, dass die irdische Laufzeit des Grabs von Omi abgelaufen war. Entweder die Grabvertragslaufzeit würde verlängert - oder das Grab eingeebnet und damit endgültig ewig. Das wollten Cousine Sigrid und Vetter Ernst nicht und sie gaben einen Kostenvoranschlag in Auftrag, was Omis Umbettung kosten würde. Die Summe übertraf mehrfach den Wert des schönen Grabsteins und da Omi (Geschäftsfrau) zu Lebzeiten sehr kostenbewusst gelebt hatte und sich auch noch als Engel aufregen könnte ("soviel Geld für meine Knochen, wo meine Seele schon bei Gott ist") - da verzichtete Sigrid auf Omis Umbettung und Vetter Ernst war einverstanden. Sigrid ließ nur den schönen Grabstein von jenem Ort an diesen Ort in das Erbbegräbnis schaffen. Das kostete auch genug Geld. Würde Omi kritisieren. Doch noch mehr würde Omi die Transporteure ihres Grabsteins kritisieren. Denn als Omis Grabstein nun auf neuem Boden in alter Familie stand, stand er falsch rum: Die Inschrift wies nicht zum Betrachter, sondern direkt in die Hecke. Kein Kleinkind könnte da zum Beten hin. Doch jetzt zeigte sich Sigrids Kreativität in geschäftlicher Hinsicht - zweifellos ein Erbteil von Omi. Nochmals den Stein drehen lassen? - Nein! Sigrid erinnerte sich an ihre eigene Restlebenszeit (sie ist über siebzig) und daran, dass ihr Omis Stein (naturbehauen) auch als eigener gefallen würde. So ließ sie den Steinmetz kommen und ihren Namen samt Geburtsdatum auf den Stein meißeln - also auf die Rückseite von Omi. Hinten nun Omi, vorne ihre Enkelin. Christine und ich haben den Doppelseitengrabstein am ewigen Sonntag jetzt besucht und bewundert. Nur wohin Christines kleiner Blumenstrauß sollte, war ein Problem. Auf die unsichtbare Rückseite vor Omis Namen? Oder im Vorgriff auf die Zukunft auf die Vorderseite? Ich habe den Strauß vor Onkel Ernst gestellt. (Er hat mich beim Kaufmannsladenspiel immer mit echten Zweipfennigstücken bezahlt.) Man kann was lernen von dieser Familienrichtung: Sehr ökonomisch denken selbst bei Ewigkeitsangelegenheiten. Ich gebe Sigrids Idee hiermit den Friedhofsverwaltungen weiter. Denn Christine und ich - wir wollen auch so einen Doppelstein. Christine will freiwillig nach hinten.

27. November 2001